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Schlossplatz
Der heute für öffentliche Veranstaltungen genutzte Platz war zwischen 1556 und dem 19. Jahrhundert mit dem Vareler Schloss bebaut. Die Grafen Anton II. von Oldenburg-Delmenhorst und Anton Günther von Oldenburg ließen die ehemalige Vareler Burg zum Schloß ausbauen, welches, nachdem es dem oldenburgischen Staat zugegangen war, 1871 abgetragen wurde. Wenig später wurden die auch heute noch erhaltenen Gebäude errichtet, die den Schloßplatz zur Innenstadt hin abgrenzen. Seit 1876 wurde die Fläche zeitweise als Marktplatz genutzt.
Bis in die 1960er Jahre war der Schloßplatz weitestgehend unverändert. Seit seiner Errichtung 1871 beherbergte er das von den Bürgern gesponserte Denkmal "Germania", das an die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges von 1870-1871 erinnern sollte. Seit 1972 steht dieses vor dem Amtsgericht. In den Jahren 1968 und 1969 wurde der Schloßplatz dann in seine heutige Form gebracht. Auch der "Gummibahnhof", ehemaliger Omnibusbahnhof, der an der Stelle des Klettergerüsts stand, musste weichen.
Aufstieg zur Residenz unter den Aldenburgern
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts begann für Varel ein besonderer Zeitabschnitt, der durch den Aufstieg von einer noch dörflich zu nennenden Siedlung zu einer Residenz geprägt war, die zugegebenermaßen recht klein und bescheiden ausfiel. Graf Anton Günther von Oldenburg war in seiner Ehe zwar kinderlos geblieben, hatte jedoch einen unehelichen Sohn aus einer Beziehung mit Freifräulein Elisabeth von Ungnad. Um diesen Sohn Anton, der wegen seiner illegitimen Herkunft für die Nachfolge als Oldenburger Graf nicht in Frage kam, standesgemäß zu versorgen, ließ er ihn 1646 durch Kaiser Ferdinand III. legitimieren und als Anton von Aldenburg in den Adelsstand erheben, dann 1651 zum Freiherrn und Edlen Herrn zu Varel und 1653 zum Reichsgrafen ernennen. Bereits 1654 erhielt Anton das Amt Varel, 1658 auch die Herrlichkeit Kniphausen, was 1663 im Testament Graf Anton Günthers noch einmal bestätigt wurde. Zwischen 1656 und 1659 wurde das Vareler Schloß, eine ehemalige Burg in unmittelbarer Nähe der Kirche, standesgemäß als Residenz für Anton ausgebaut. Nach dem Tod Graf Anton Günthers im Jahr 1667 trat Anton von Aldenburg sein Erbe in Varel und Kniphausen an; gleichzeitig übernahm er die Statthalterschaft in den Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst für die Lehnsnachfolger, den König von Dänemark und den Herzog von Holstein-Gottorp (Dass auch das Haus Holstein-Plön Ansprüche anmeldete und die Rechte an Oldenburg / Delmenhorst schließlich ganz an Dänemark fielen, sei hier nur am Rande erwähnt). Aus Dankbarkeit gegenüber seinem Vater ließ Anton 1670/71 das Vareler Waisenhaus erbauen, das heute nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten wieder in alter Pracht erstrahlt.
Nach dem Tod Antons im Jahr 1680 kam die Herrschaft Varel unter dänische Zwangsverwaltung. Da der einzige männliche Erbe, Anton II. von Aldenburg, erst sieben Monate nach dem Tod seines Vaters geboren wurde, erschien dem dänischen König Christian V. wohl die Gelegenheit günstig, um seine Hand nach der Herrschaft Varel auszustrecken. Der 1681 begonnene Bau der Festungsstadt "Christiansburg" an der Vareler Anlegestelle am Jadebusen unterstrich dieses Ansinnen. Wegen der zunehmenden Verschlickung des Hafens wurde die Anlage bereits 1696 geschleift. Heute erinnern noch einige Erdwälle am Vareler Hafen an dieses Unternehmen. Die Bestrebungen des dänischen Königs trafen allerdings auf großen Widerstand seitens der Mutter Antons II. Erst nach längeren Verhandlungen kam es zu einem Ausgleich der gegensätzlichen Interessen und zur Aufhebung der Zwangsverwaltung. Im "Aldenburger Traktat" von 1693 mußte die aldenburgische Familie zwar einige Besitztümer, u. a. die Vogteien Jade und Schwei, abgeben, durfte aber die Edle Herrschaft Varel, allerdings unter dem Vorbehalt der oldenburgischen und damit dänischen Landeshoheit, behalten.
Varel unter Bentinckscher Herrschaft
Als die einzige Tochter Antons II., Charlotte Sophie, im Jahr 1733 den aus einem niederländischen Adelsgeschlecht stammenden Reichsgrafen Wilhelm von Bentinck heiratete, kündigte sich in Varel ein neuer Zeitabschnitt an. Charlotte Sophie, eine geistig begabte und selbstbewusste Frau, zu deren Bekannten der Preußenkönig Friedrich II. und Voltaire gehörten, war in dieser Ehe nicht glücklich. So wurde die Ehe 1740, zwei Jahre nach dem Tod Antons II., geschieden. Ein langwieriger Streit um die Aldenburger Besitzungen war die Folge. Erst 1754 wurde Charlotte Sophie, die als verschwendungssüchtig galt und hohe Schulden angehäuft hatte, im sog. "Berliner Vergleich" verpflichtet, gegen die Zahlung einer jährlichen Rente auf Varel und Kniphausen zu Gunsten ihrer beiden Söhne zu verzichten. Nach der Bestätigung dieses Vergleichs 1757 ging Varel endgültig in den Besitz der Familie Bentinck über.
Die Bentinckzeit wurde vor allem durch den Reichsgrafen Wilhelm Gustav Friedrich von Bentinck (1762 - 1835), einem Enkel von Charlotte Sophie, geprägt. 1787 übernahm er das landesherrliche Regiment in Varel und Kniphausen, hielt sich anfangs jedoch selten in Varel auf, da er als treuer Parteigänger des Prinzen von Oranien für dessen Rechte in Holland kämpfte. Die napoleonische Zeit brachte Bentinck anfangs erhebliche Vorteile, da zur Zeit des Wirtschaftskrieges zwischen England und Frankreich die Neutralität Kniphausens einen ungehinderten Seehandel unter der Flagge dieses Landes ermöglichte und dem Grafen so eine lohnende Einnahmequelle erschloss. Nachdem die Oberhoheit über Varel und Kniphausen 1807 vorübergehend an König Louis von Holland, einem Bruder Napoleons, gefallen war, vereinigte Napoleon ab 1810 die deutschen Nordseeküstenländer mit dem Kaiserreich Frankreich, um die 1806 erlassene Kontinentalsperre durchzusetzen und den Schmuggelhandel mit England zu unterbinden. Varel war nun ein Kanton im Departement des Bouches du Weser, Graf Bentinck ließ sich zum Maire (Bürgermeister) von Varel ernennen, um einen gewissen Einfluss zu bewahren.
Nach dem Ende der Franzosenzeit wurde Varel 1814 provisorisch der oldenburgischen Verwaltung unterstellt. Da Wilhelm Gustav Friedrich von Bentinck dem oldenburgischen Herzog den Lehnseid verweigerte, erhielt er erst 1830 die Rechte an seiner Herrschaft Varel zurück. Nach seinem Tode im Jahr 1835 kam es zwischen den Erben zu einer langwierigen Auseinandersetzung, dem sog. Bentinckschen Erbfolgestreit. Erst 1854 wurde ein Vergleich geschlossen, wodurch sämtliche Eigentums- und Hoheitsrechte an den aldenburgisch-bentinckschen Fideikommissgütern gegen Zahlung einer Abfindung auf den oldenburgischen Staat übergingen. Damit fand der Sonderweg Varels als Residenz ein Ende. Weil das Vareler Schloß nicht mehr benötigt wurde, wurde es in den Jahren 1860 bis 1871 abgerissen. Von seiner Existenz zeugen heute nur noch die Namen "Schloßkirche" und "Schloßplatz".